DHd-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft vom Juni 2023 (03.07.2023)

[Der DHd-Verband wurde am 14.06.2023 vom BMBF zur Abgabe einer Stellungnahme als Fachverband zum überarbeiteten Entwurf des Wissenschaftszeitvertragsgesetztes (“Referentenentwurf”) bis zum 03.07.2023 aufgefordert. Am 03.07.2023 erhielt das BMBF die von den Vorsitzenden unterzeichnete Stellungnahme mit nachfolgendem Text]

Präambel

Der DHd-Verband hat im Juni 2021 eine Stellungnahme zur Befristungspraxis an deutschen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen veröffentlicht. In dieser Stellungnahme haben wir eine Reihe von Positionen formuliert, die sich auch als Prüffragen für den im Juni 2023 vorgelegten “Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft” eignen. Zu Fragen ist jeweils, ob der Entwurf diesen Positionen entspricht oder ihnen entgegensteht. Unter den acht in unserer Stellungnahme formulierten und begründeten Positionen sind zwei im vorliegenden Zusammenhang besonders wichtig: #2, “Befristete Stellen für Wissenschaftler:innen nach der Promotion sind weder gerechtfertigt noch zielführend” sowie #5, “Attraktive Arbeitsbedingungen für internationale Wettbewerbsfähigkeit”.

Bevor wir den Entwurf in diesem Sinne knapp kommentieren, noch eine weitere vorgelagerte Anmerkung: Professor:innen auf Dauerstellen und wissenschaftliche Mitarbeitende, überwiegend auf befristeten Stellen, sind im DHd-Verband gleichermaßen repräsentiert und es ist unser Anspruch, beide Gruppen zu vertreten. Dabei gilt allerdings: Was für die Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeitenden gut ist, ist in aller Regel auch für die Gruppe der Professor:innen gut. Wissenschaftliche Mitarbeitende brauchen attraktive Arbeitsbedingungen, die ausreichend Zeit, Planungssicherheit und Familienfreundlichkeit bieten, um bestmöglich forschen und lehren zu können. Und Professor:innen wollen solche Arbeitsbedingungen anbieten können, um die jeweils bestmöglichen Mitarbeitenden gewinnen und halten zu können und um in der PostDoc-Phase übermäßige Personalrotation zu vermeiden. Das ermöglicht es entsprechenden Teams, international wettberwebsfähige, innovative Forschung zu betreiben.

Einige Punkte im Einzelnen

Der DHd-Verband begrüßt zunächst, dass der Entwurf eine Reihe von Fehlentwicklungen, die aus der Anwendung des derzeit gültigen WissZeitVG folgen, anerkennt und korrigieren möchte. Denn diese haben in der Tat “sowohl negative Auswirkungen für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Hinblick auf die wissenschaftliche Karriere und die individuelle Lebensgestaltung als auch negative Effekte auf die Leistungsfähigkeit und Attraktivität des Wissenschaftsbetriebs insgesamt”. Vor diesem Hintergrund sind die erklärten Ziele des Entwurfs – “mehr Verlässlichkeit, Planbarkeit und Transparenz für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in frühen Karrierephasen und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie”, eine erhöhte “Attraktivität der Arbeit in der Wissenschaft” sowie eine gestärkte “Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftssystems” – insgesamt wichtig und richtig. Dass der vorgelegte Entwurf ausreichend entschlossen handelt, um diese Ziele auch tatsächlich zu erreichen, bezweifeln wir aber nachdrücklich.

Im Einzelnen begrüßt der DHd-Verband die vorgeschlagene Einführung einer Mindestlaufzeit für Erstverträge bei Promovierenden von drei Jahren als einen Schritt in die richtige Richtung. Zu bedenken ist allerdings, dass die durchschnittliche Promotionsdauer bekanntlich deutlich über diesem Zeitrahmen von drei Jahren liegt. Deshalb sollten Promovierende anschließend an den Erstvertrag zumindest weitere Verträge mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr erhalten.

Ausgezeichnete Forschung erfordert auch in der Promotionsphase ein Mindestmaß an Planungssicherheit.

Der DHd-Verband lehnt den Vorschlag ab, dass promovierte wissenschaftliche Mitarbeitende noch für weitere 4+2 Jahre befristet beschäftigt werden können. Maximal ist hier eine 2-jährige Übergangs- und Bewährungsfrist zumutbar, nach der die Entscheidung für eine dauerhafte Anstellung erfolgen muss. Für diese Übergangsphase muss die vorgesehene Mindestvertragslaufzeit von 2 Jahren gelten. Eine Grundlage oder Notwendigkeit für weitere Befristungen, auch nach dem Modell der Anschlusszusage bei erfolgreicher Evaluation, sehen wir hingegen nicht. Die weitere Entwicklung des wissenschaftlichen Profils, die dann zur Berufungsfähigkeit auf eine Professur führen kann, aber nicht muss, soll nach Ablauf der zwei Jahre im Rahmen einer unbefristeten Anstellung erfolgen.

Kurzfristig müssten und könnten dauerhaft finanzierte sogenannte Landesstellen, die derzeit häufig immer wieder befristet an Promovierende vergeben werden, für unbefristete PostDoc- Stellen eingesetzt werden. Mittelfristig muss hierfür jedoch ein Ausgleich über die Einrichtung von insgesamt mehr grundfinanzierte Landesstellen geschaffen werden. Ein zeitgemäßes WissZeitVG, das mutiger als im vorliegenden Entwurf reformiert wird, muss daher von Anfang an flankiert werden von weiteren Maßnahmen zur Veränderung der Rahmenbedingungen bezüglich der Finanzierung von Forschung. Dazu gehören insbesondere Maßnahmen zur Umkehrung des seitJahrzehnten beobachtbaren Trends einer Umschichtung weg von der Grundfinanzierung der Hochschulen und hin zu einem immer höheren Anteil der Drittmittelförderung. Dieser Trend ist ein wesentliches Hindernis für eine Verbesserung des Verhältnisses von befristeten zu unbefristeten Stellen für wissenschaftliche Mitarbeitende.

Abgesehen von der Frage der Befristungsdauer fällt am vorgelegten Entwurf zudem auf, dass er keine Definition von Qualifikation vorlegt, die verständlich, interpretationsfest und damit rechtssicher wäre. Der Qualifizierungsbegriff muss vielmehr so geschärft werden, dass er nicht mit Beliebigkeit angewandt und interpretiert werden kann.

 

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